Antikensammlung
Hallerstrasse 12, Antikensammlung
Gipsabgüsse antiker Statuen haben seit der Renaissance, besonders aber im 19. Jahrhundert, grosse Verbreitung und Beliebtheit genossen. Einst stolzer Bestand der Akademie, später des Kunstmuseums, wurde die umfangreiche und gut erhaltene Berner Sammlung im frühen 20. Jahrhundert verschmäht und eingemottet. Von Prof. Jucker in den 70er Jahren am Nydeggstalden wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, fand sie 1996 in den ehemaligen Lagerräumen des Kartenverlages Kümmerli & Frey ihre heutige Bleibe. Als besonders gelungene Umnutzung eines Industriebaus gehörte die neue Antikensammlung neben der Unitobler 1997 zu jenen Objekten, für welche die Stadt Bern mit dem Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes ausgezeichnet wurde. Als Schaulager, Studiensammlung und als universitätseigenes Quartiermuseum gehört sie zu jenen Orten Berns, in denen ein Besuch voller Überraschungen sicher ist. Angelockt vom Schaufenster eines Hauses aus den 1970er Jahren begeben sich die Gäste in den Untergrund. Nicht ganz wie die Archäologen, die sie einst ausgegraben hatten, aber immerhin ins zweite Untergeschoss einer einstigen Fabrik.
Ein Gussasphaltboden, Neonbeleuchtung, hell gestrichener Beton, Trennwände aus Kalksandstein-Sichtmauerwerk und farbige Abflussrohre, die eine passende akustische Kulisse liefern: die industrielle Meterware will nicht recht zum hehren Bildungsgedanken passen, den die ausgestellten Abgüsse von antiken Kunstwerken sowie einige Originale in einem separaten Kabinett auf den ersten Blick verkörpern. Doch die "armselige" Präsentation ergibt nicht nur aus Kostengründen einen Sinn. Die Dekontextualisierung, welcher Kilian Bühlmann und Bernard Schlup die Kunstwerke aus zweiter Hand unterzogen haben, setzt sich gestalterisch mit den seriellen Herstellungsbedingungen der Objekte, ihrem gewandelten Status sowie der Stofflichkeit der teilweise illusionistisch bemalten und patinierten Gipse auseinander.
In der reizvoll komponierten Aufstellung der Figuren werden überraschende Bezüge deutlich, welche anhand der in Museen quer durch ganz Europa aufbewahrten Originale undenkbar wären. Darüber hinaus ermöglicht die Aufbewahrung der grösseren Objekte auf Paletten ein einfaches Umstellen und neue Vergleiche nach Bedarf. Nebst der wissenschaftlichen Analyse können die Objekte auch in jener zeichensaalähnlichen Aufstellung verwendet werden, anhand derer Generationen im Zeichenlehrgang der Beaux-Arts-Tradition sich die Chiaroscuro-Technik angeeignet hatten. Die passenden Hocker stehen in ausreichender Zahl zur Verfügung! Die seit dem frühen 19. Jahrhundert hergestellten und sukzessive der Sammlung hinzugefügten Gipse zeigen einige der Kunstwerke in einem besseren Zustand als viele Originale.
Literatur:
Der Katalog der Objekte ist zu finden in: Adrian Stähli, Die Berner Abguss-Sammlung (mit einem Beitrag von Sandor Kuthy), in: Hefte des Archäologischen Seminars der Universität Bern (HASB), 1. Beiheft, 1985