Die Bauten der Universität Bern
Monumente des Wissen
Architektur spielt im Universitätsalltag keine grosse Rolle. Und dennoch: Wer ein Institut erstmals betritt, gewinnt gerade aufgrund des Gebäudes einen prägenden Eindruck. Und wer vor der Türe der Kanzlei oder des Rektorats steht, wird sich wohl zuerst aufgrund der Signale, die das Gebäude ausstrahlt, willkommen fühlen oder nicht.
Wer länger in einem Haus ein- und ausgegangen ist, wird sich mit seinen Eigenschaften auseinander gesetzt, sich mit ihm angefreundet haben, wird Dinge über die ErbauerInnen und Ereignisse aus der Vergangenheit wissen, wird es vielleicht sogar als Teil seiner eigenen Geschichte wahrnehmen. Das Gebäude wird zum Monument. Monere steht im Lateinischen für "erinnern", "gemahnen".
Den Bezug zwischen dem universitären "Wissensgebäude" und dem Denkmalcharakter der Architektur hat der Berner Künstler Victor Surbek auf seinem Fresko "Südliche Landschaft" von 1957 im Foyer der Zahnmedizinischen Kliniken (Freiburgstrasse 7) auf eine anschauliche Formel gebracht.
Schöngeist und Notbehelf
Ohne Surbeks Fresko eine weit hergeholte Interpretation aufpfropfen zu wollen, ist anzunehmen, dass die arkadische Landschaft in erster Linie im Kopf des in seine Bücher versunkenen Studierenden existiert. Der von fern grüssende Tempel symbolisiert das Wirken des Menschen in der Natur - oder zugespitzt gesagt: kulturelle Leistung schlechthin. Eine solche Auffassung der Werke der Architektur - als das materielle Zeugnis kultureller Tätigkeit im Raum - liegt diesem Architekturführer zu Grunde.
Fragt man nach dem gemeinsamen Nenner aller Universitätsbauten, steht das Bestreben, das (Schön)geistige in jeweils zeitgemässer Form angemessen zu repräsentieren, vermutlich an vorderster Stelle. Doch interessant wird diese Eigenschaft erst im Kontrast zu einer gewissen materiellen Behelfsmässigkeit, die die meisten Universitätsbauten mindestens ebenso prägt. Die Schulstube des Dorflehrers steckt genauso in jedem Gebäude der Universität wie der Palast, in dem der König seine Weisen um sich schart. Ein Blick in die Seitenflügel des Hauptgebäudes mit ihren unverkleideten Deckenuntersichten beweist es.
Mythos und Utopie
Besonders spannend sind viele Unibauten dort, wo sie grosse technische Apparate beherbergen oder aussergewöhnlichen Zwecken dienen. Aber nicht alle funktionalen Bedürfnisse erfahren so anschauliche architektonische Verbildlichungen wie die Observatoriumskuppel, der Operationssaal für Grosstiere oder die Musterschule. Gerade um die unzugänglichsten Orte ranken sich die grössten Mythen: Was wäre das Institut für Exakte Wissenschaften ohne sein Tiefenlabor, das - wie das Unbewusste in den Tiefen der Seele - im Erdinnern weit unter dem Institutsgebäude schlummert?
Die meisten Architekten sind sich bewusst, dass sie ihre Werke auf eine Zeitreise schicken, und diese für die Bedürfnisse kommender Generationen rüsten. Darin liegt der utopische Gehalt von Architektur. Anders vielleicht als ein "gewöhnlicher" Kunstführer will dieser Führer bei den einfachsten und alltäglichsten Objekten anknüpfen, von hier aus aber die riesige Klammer bis hin zur Utopie aufspannen - eine Klammer, die typisch für das Potential der oft stiefmütterlich behandelten Disziplin Architektur ist. Dabei hoffen wir herauszufinden, was zur Entstehungszeit der ausgewählten Bauten die Vorstellungen davon waren, was Wissenschaft sei. In erster Linie aber soll dieser Führer Lust und Interesse an einem Reichtum wecken, an dem wir alle täglich teilhaben.
Die Uni Bern im Stadtquartier
Im Unterschied zu vielen anderen Universitäten ist die Universität Bern auch nach 1950 eine Stadtuniversität geblieben: der Schritt zu einem Campus am Stadtrand stand zwar auch in Bern zur Diskussion, wurde jedoch nie vollzogen. Stattdessen erweiterte sich die Universität im zentrumsnahen Länggassquartier, teils im noch unbebauten Muesmattfeld, teils in aufgegebenen Industriearealen. Bekanntheit erlangte dabei vor allem die Umnutzung der ehemaligen Schokoladefabrik Tobler in das Zentrum für Sozial- und Geisteswissenschaften Unitobler. Mit dem kürzlich erworbenen Areal der ehemaligen von Roll-Werke wird dieser Prozess, welcher unter dem Stichwort Strategie 3012 in Gang gesetzt wurde, weitergeführt. Die räumlichen Distanzen zwischen den Instituten in dieser Stadtuniversität sind vergleichbar mit bestehenden Campuslösungen in der Schweiz.