Porträt Geschichte

Geschichte und Architektur

Exakte Wissenschaften

Sidlerstrasse 5

Gebäudeansicht

Traditionsreicher Standort, bedeutendes Zentrum der Weltraum- und Klimaforschung, Mittelpunkt des Schweizer Koordinatennetzes: Weder seine Dichte noch seine reich befrachtete Vergangenheit sind dem Institut für Exakte Wissenschaften anzusehen, welches 1951-61 von Hans und Gret Reinhard in ein Gebäude voller Understatement und Diskretion gepackt wurden.

Observatorium um1822

Die Geschichte des Standorts beginnt 1812, als auf der damaligen Schanze Hohliebe der barocken Stadtbefestigung ein hölzernes Beobachtungskabinett, 10 Jahre später ein tellurisches Observatorium gebaut wird - der alte Bezugspunkt der schweizerischen Landesvermessung. An der gleichen Stelle wird 1876/77 das alte Physikalische Institut erbaut, welches unter seiner Kuppel weiterhin ein tellurisches Observatorium, d. h. Instrumente zur Erdvermessung, birgt. (Astronomie wird ab 1922 in der Sternwarte Muesmatt betrieben). Das neue Institut für Exakte Wissenschaften entsteht 1959-63. 1972-74 wird um dieses Gebäude der heutige "Kragenbau", ein grosses, vor allem von den Geleiseanlagen des Bahnofes sichtbares Volumen mit abgetieften Innenhöfen und mehreren Untergeschossen gelegt. Die letzte Ausbauphase datiert von 1991-94; sie betrifft den Einbau der Bibliothek im Innenhof ähnlich der Unitobler sowie die Haustechnik.

Der zweifellos interessanteste Bestandteil dieses Ensembles ist der Kernbau des unlängst verstorbenen Architektenpaares Reinhard, das ein weit über Bern hinaus bekanntes Werk hinterlässt. Die an einen Zentralbau gemahnende Präsenz des mit Stahl, Glas und hellem Kalkstein eher unauffällig verkleideten Gebäudes beruht auf der Hoftypologie.

Aus dem Grundriss wird ersichtlich, wie die Architekten mit einer leicht exzentrischen Anordnung des Hofes an vier Gebäudeseiten unterschiedliche Raumtiefen und somit für Erschliessung und Nutzung eine überraschende Vielfalt an räumlichen Möglichkeiten schufen.


Abgesehen vom Foyer, das sich mit einer vollflächigen Glaswand zum Stadtpanorama öffnet, entbehrt das Gebäude im Inneren jeglicher Extravaganz. Aus Bescheidenheit? Die elementaren Details aus Holz, Stahl, Verputz etc. sind von dauerhaftester Bauart: so robust wie die Experimente und die besondere öffentliche Wertschätzung des Fachs zur Erbauungszeit.

Foyer und Korridor Exakte Wissenschaften

Unverwüstliche Qualität zeichnet stellvertretend für das ganze Gebäude den Experimentierhörsaal aus. Vom Hauptkorridor des Erdgeschosses aus bestens erschlossen, erstreckt sich das Auditorium über die ganze Hoffläche zweigeschossig bis ins 1. UG hinunter. Der Bauteil, in dem jedes erdenkliche naturwissenschaftliche Experiment vor einem grossen Publikum demonstriert werden kann, wurde gleichsam als physikalisches Theater gebaut, welches StudentInnen im Grundstudium oder Propädeutikum einen sinnlichen Zugang zur abstrakten Welt der Physik ermöglichen soll. Man geht wohl nicht fehl, den fenster- und lichtlosen Raum als bauliche Metapher für physikalische Modellsituationen schlechthin zu interpretieren: Eine treffende Idee findet hier eine bemerkenswerte architektonische Umsetzung!

Experimentierhörsaal

Den Kragenbau, der später um das Institutsgebäude gelegt wurde, mag man als labyrinthischen Moloch kritisieren - vom Konzept her zumindest hat die Idee, als Gegenfigur zum Monolith des Institutsbaus mehrere Höfe ins Terrain abzutiefen, etwas bestechendes. Der Bauteil hat in unmittelbarer Bahnhofsnähe Hörräume, High-Tech Werkstätten und Lager in Hülle und Fülle geschaffen. Die jüngste Zutat, die Bibliothek im Innenhof nach dem Vorbild der Unitobler, zeigt freilich die Grenzen solcher Verdichtungen. Immerhin zieht die Stahlkonstruktion, welche das Tageslicht trotz des Einbaus ins Innere des Altbaus strömen lässt, viele Lernende auch aus anderen Fakultäten an.

Lichthof Exakte Wissenschaften

Literatur:

Barbara Wyss-Iseli (Red.), Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Hochbauamt (Hrsg.), Universität Bern, Exakte Wissenschaften, Sanierung und Erweiterung, Bern: 1994