Porträt Wissenschaftlerinnen der Uni Bern

Wissenschaftlerinnen der Uni Bern

Doris Wastl-Walter: Geographin der Grenzen und Geschlechter

Eine akademische Karriere mit grosser Reichweite, nicht nur über Landesgrenzen hinaus, sondern auch über Barrieren in Männer- und Frauenköpfen hinweg: Doris Wastl-Walter war an der Universität Bern erste Ordinaria am Geographischen Institut, Gründungsdirektorin des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung und die erste Vizerektorin für Gleichstellung.

Von Nina Jacobshagen

Porträt von Doris Wastl-Walter, der ersten Vizerektorin für Gleichstellung der Universität Bern. Bildnachweis: @Universität Bern/Manu Friederich

Steckbrief

  • Lebensdaten: 20. Juli 1953 in Wien
  • Herkunft: Österreich
  • Fachrichtung: Kulturgeographie
  • Zivilstand: Verheiratet, zwei Söhne
  • Zusätzliche Informationen: Geographie als Grenzüberschreitung. Festschrift für Doris Wastl-Walter anlässlich ihrer Emeritierung (Hrsgb: J. Wintzer & B. Filep, 2018). 

Ein akademischer Mitarbeiter kommentierte die Entlassung einer jungen Kollegin mit den Worten: «Na wunderbar, dann kann sie sich jetzt wenigstens um ihren Mann kümmern.» Doris Wastl-Walter erzählt diese Anekdote auf die Frage, wann sie angefangen habe, sich für Frauenthemen zu engagieren, und nennt dies ein Schlüsselerlebnis. Ereignet hatte es sich in den 1990er Jahren an der Universität Klagenfurt, wo sie sich habilitierte – und brachte in ihr einen Funken zum Flammen. Mit wirkmächtiger Strahlkraft: Als Professorin in Bern brannte sie dafür, Frauen den Weg für eine wissenschaftliche Karriere zu ebnen; von ihrer Berufung 1997 bis zu ihrer Emeritierung 2018.

Über Grenzen gehen

So wenig, wie sich Wastl-Walter selbst in ihrer beruflichen Laufbahn von herkömmlichen Geschlechterbildern einschränken liess, so sehr hat sie sich dafür engagiert, die Handlungsspielräume von Nachwuchsforscherinnen zu erweitern; zunächst am Geographischen Institut, dann auch an der gesamten Universität als Direktorin des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung und seit 2011 als Vizerektorin für Chancengleichheit, nachhaltige Entwicklung und Qualität. Von 2013 an setzte sie sich landesweit ein, als Präsidentin des Bundesprogrammes für Chancengleichheit und Gender Studies an Schweizer Universitäten.

«Ich wollte den Frauen die Möglichkeiten geben, Grenzen zu überschreiten. Den Weg mussten sie zwar selbst gehen. Sie zu ermutigen aber war mir immer wichtig.» Ein wirksames Instrument dafür waren Mentoring-Programme, die Wastl-Walter ab 1999 für Frauen in der Forschung initiierte. «Durch das Mentoring haben sie sich getraut, in bestimmte Positionen zu gehen – mit dem Gefühl, gewollt zu werden.»

Überfällige Modernisierung in der Geographie

Freundlich, aber bestimmt und mit visionärer Kraft hat Wastl-Walter auch dazu beigetragen, ihr eigenes Fach zeitgemässer zu gestalten. Die Geographie galt Ende des 20. Jahrhunderts noch als einseitig von männlicher Perspektive geprägt. Wastl-Walter kam mit dem feministischen Forschungsansatz nach Bern, um von hier aus die Kulturgeographie um die Lebenswelten der Frauen zu erweitern. Ihr Buch «Gender Geographien – Geschlecht und Raum als soziale Konstruktionen» ist das erste deutschsprachige Lehrbuch zum Thema. Auch in der Grenzforschung und der Migrationsforschung hat sich Wastl-Walter wissenschaftliche Ehren erarbeitet. Ihr Standardwerk «The Ashgate Research Companion to Border Studies» legt davon Zeugnis ab.

Geförderte Frauenförderin

Und die Privatperson? Geboren in Wien und aufgewachsen als älteste von fünf Geschwistern, ist Doris Wastl-Walter selbst Mutter zweier Söhne. Ihr Mann, ebenfalls Geograph und auch als Vater sehr engagiert, ist die erste Person, die Wastl-Walter auf die Frage nennt, wer sie, die Frauenförderin, unterstützt hat: «Mein Mann ist immer hundert Prozent hinter mir gestanden. Weil das so klar war, war das auch für die Kinder so.»

Die Familie freute sich über ihren Ruf nach Bern 1997 und wollte zunächst von Österreich in die Schweiz nachziehen. Weil verschiedene Gründe für Klagenfurt sprachen, kam es aber nicht dazu. Das hiess für Wastl-Walter, 20 Jahre lang am Wochenende in eine weit entfernte Heimat zu pendeln. Zurück in Bern telefonierte sie täglich mit ihren Kindern und kontrollierte deren Hausaufgaben auch mal per Fax. Unter der Woche betreute eine Tagesmutter die beiden Söhne. Hatte Doris Wastl-Walter ein schlechtes Gewissen? «Ja, permanent», sagt sie heiter, «mich hat aber irgendwann erleichtert zu verstehen, dass es eigentlich nur mein Problem war. Für alle anderen hat es ja gut funktioniert.»

An der Universität Wien, wo Wastl-Walter Geographie und Romanistik studiert hat, war ihre Professorin Elisabeth Lichtenberger nicht nur ein wichtiges «Role Model». Sie nahm sie als junge Assistentin auch in ein grosses Forschungsprojekt auf und gab ihrem wissenschaftlichen Fortkommen damit einen Schub. An der Universität Klagenfurt wiederum, an der Wastl-Walter ihre nächste Anstellung antrat und an der zu jener Zeit Frauen in akademischen Positionen noch stark untervertreten waren, räumten ihr zwei Professoren den nötigen Freiraum für ihre Forschungsarbeit ein: «Die haben gesehen, dass ich Ideen habe und mich engagiere. Das hat ihnen offenbar gefallen.»

In Bern erlebte sich Wastl-Walter von ihren Kolleginnen und Kollegen insgesamt unterstützt und getragen: «Ein wohlwollendes Umfeld macht leistungsfähig.» Unterstützung begegnete ihr auf allen Ebenen, bis hin zur Universitätsleitung: Rektor Martin Täuber und dessen Nachfolger Christian Leumann hätten kaum je einen ihrer Anträge abgelehnt. «So lässt sich gut arbeiten», sagt Doris Wastl-Walter und lacht.

Doris Wastl-Walter war es ein grosses Anliegen, Frauen in der Wissenschaft zu fördern. Bildnachweis: zvg
Doris Wastl-Walter in ihrer Funktion als Vizerektorin am Berner Dies academicus im Jahr 2012. Bildnachweis: @Universität Bern/Manu Friederich

Zur Autorin

Nina Jacobshagen arbeitet als Redaktorin Corporate Publishing in der Abteilung Kommunikation & Marketing der Universität Bern.