Nachhaltigkeit in ihrer ganzen Vielfalt - Vom Anstoss zur Weiterbildung aus persönlichem Interesse
Denken Sie an Umweltschutz, wenn Sie das Wort Nachhaltigkeit hören? Der Begriff umfasst viel mehr, als man zunächst annehmen könnte. Was bringt eine Weiterbildung in diesem Bereich, welchen Hintergrund und welche Ziele haben die Teilnehmenden des CAS Nachhaltige Entwicklung? Ein Interview mit einer Alumna, die Nachhaltigkeit in all ihren Facetten für sich entdeckt hat.
Beitrag: Neslihan Steiner, 2023
Die Bedürfnisse der heutigen Generationen befriedigen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, den ihren nachzukommen. Wie soll das gehen? Diese Frage beschäftigte Nina Repp schon immer, bekam aber mit der Geburt ihres ersten Kindes eine noch grössere Bedeutung. Angesichts der begrenzten Menge an natürlichen Ressourcen auf unserem Planeten ist der Handlungsbedarf offensichtlich: Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft sind unbestritten. Der Verlust der biologischen Vielfalt, der Übergang zu einer kohlenstoffarmen, kreislauforientierten und regenerativen Wirtschaft sind nur wenige Beispiele wichtiger Themen, die im Bereich der Nachhaltigkeit am dringendsten sind.
Nina Repp’s Interesse für Nachhaltigkeitsthemen nahm proportional zu ihrem Wunsch nach einer beruflichen Veränderung zu. Die gebürtige Österreicherin studierte in Deutschland Kulturwirtschaft und füllte ihren Wissensrucksack von BWL über VWL bis hin zu Sprachen, Geografie und Geschichte. Ihre generalistische Ausbildung widerspiegelt sich auch in ihrer beruflichen Laufbahn. Während mehr als 13 Jahren war sie in Bern bei einem international tätigen Unternehmen mit Mutterhaus in Hamburg tätig, wo sie sich bis zum CFO hochgearbeitet hat. «Ich bin ein Mensch, der sich regelmässig hinterfragt. Alle paar Jahre identifiziere ich ein Ziel, auf das ich mit einer Weiterbildung hinarbeite.» Vom Qualitätsmanagement zum HR hat Nina Repp in der Vergangenheit einige Weiterbildungen absolviert, bei denen sie das Gelernte direkt in ihrer Tätigkeit anwenden konnte. «Nachhaltigkeit gewinnt auch im Finanzbereich an Bedeutung. Aber für eine Weiterbildung im Thema Nachhaltigkeit habe ich mich primär aus persönlichem Interesse entschieden», so Nina Repp. «Ich wollte entweder meinen Job anreichern, oder in einem anderen Umfeld tätig werden.» Letzteres trat ein. Vor der beruflichen 180-Grad-Kehrtwende, die von der kompetitiven Rüstungsindustrie zu einer nicht gewinnorientierten Organisation führte, lag eine Weiterbildung: der CAS Nachhaltige Entwicklung der Universität Bern.
Nachhaltigkeit hoch im Kurs
Alle reden von Nachhaltigkeit. Trotzdem sind Zusammenhänge und Abgrenzungen oft nicht klar. Wer wirklich etwas in diesem Bereich bewegen will, braucht fundiertes Wissen, Raum für Reflexion und gemeinsame Lösungen in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft. Genau da setzt der CAS Nachhaltige Entwicklung an: Er vermittelt den theoretischen Kern, zeigt Handlungsfelder auf und stärkt Kompetenzen für die Umsetzung Nachhaltiger Entwicklung.
Immer mehr Menschen denken an die Schweiz von morgen und wollen handeln. Berufe, in denen Kompetenzen in Nachhaltigkeit gefragt sind, nehmen zu und werden immer attraktiver. Der Arbeitsmarkt verlangt zunehmend Wissen und methodisches Know-how für Nachhaltige Entwicklung. Auch Soft Skills werden immer wichtiger: Zum Beispiel die Fähigkeit, einander zuzuhören, unterschiedliche Blickwinkel und Positionen zu berücksichtigen und konstruktiv miteinander zu interagieren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Unsere Zukunft braucht heute vernetzt denkende Macherinnen und Macher auf dem Arbeitsmarkt.
In der deutschsprachigen Schweiz gibt es bisher keinen vergleichbaren universitären Weiterbildungsstudiengang mit einem CAS-Abschluss. «Der ausschlaggebende Punkt, weshalb ich mich genau für dieses Weiterbildungsangebot entschied, lag in der breiten Zielgruppe. Man musste nicht zwingend bereits im Nachhaltigkeitsbereich tätig sein. Vernetztes Denken ist für eine Generalistin wie mich selbstverständlich, und dies wird im CAS Nachhaltige Entwicklung gefördert», so Nina Repp. Genau diese Fähigkeit erachtet die Studienleiterin des CAS, Dr. Marion Leng, als eine Kernkompetenz, wenn es um die Umsetzung Nachhaltiger Entwicklung geht im Austausch mit unterschiedlichen Akteuren und ihren jeweiligen Herangehensweisen: «Nachhaltige Entwicklung betrifft viele Bereiche. Daher ist es wichtig, interdisziplinär mit Menschen aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammenarbeiten zu können.» Auch sie sieht die Heterogenität der Zielgruppe als einen Pluspunkt: «Es ist eine besondere Bereicherung, so viele Menschen kennenlernen zu dürfen, die von ihrer Ausbildung, ihrem Beruf, ihrer Funktion und ihren ausserberuflichen Interessen und Engagements her so unterschiedlich sind – und die alle ein gemeinsames Ziel verbindet: eine Nachhaltige Entwicklung», so Dr. Marion Leng.
Im CAS werden Diskussionen hinreichend Raum gegeben, diese Vielfalt zu nutzen und zu erleben, wie bestehende Positionen aufbrechen und hinterfragt werden. Verbündete werden gefunden, es tun sich gemeinsam neue Wege auf, die eine Person alleine mit ihrer natürlicherweise partiellen Sichtweise nicht hätte erkennen können. «Es ist ein permanenter Lernprozess in Zuhören, sich öffnen, sich in Frage stellen sowie darin, kreativ Neues anzugehen und im Idealfall auch auszuprobieren», sagt Dr. Marion Leng. «Das erlebe ich als besonders wertvoll in der Weiterbildung und versuche, dies auch in meine Forschungsarbeit am Centre for Development and Environment (CDE) hineinzutragen.»
Nachhaltigkeit von der Theorie zur Praxis
Der Studiengang ist unterteilt in zwei Komponenten: die Grundlagen und die Handlungsfelder Nachhaltiger Entwicklung. So wird die Brücke von der Theorie zur Praxis geschlagen.
Der besondere Fokus liegt auf den Grundlagen, in denen die Teilnehmenden unterschiedliche Verständnisse Nachhaltiger Entwicklung entdecken und kritisch diskutieren. Weiter lernen sie, Herausforderungen auf geeignete Weise anzupacken und Projekte zielorientiert in Richtung Nachhaltigkeit zu führen. Die Kenntnis von Evaluationsmethoden für Nachhaltigkeitsstrategien, -prozesse und -projekte trägt wesentlich dazu bei. In der Komponente Handlungsfelder tauchen die Teilnehmenden in unterschiedliche Themengebiete ein, befassen sich mit der Agenda 2030 (ein UNO-Aktionsplan mit 17 globalen Zielen für eine Nachhaltige Entwicklung) und den Fragen der Gegenwart, die nachhaltige Lösungen verlangen. So erweitern sie themenspezifisch das Basiswissen, das sie im Grundlagenblock erworben haben.
Aha-Momente während der Weiterbildung
Aus eigenem Antrieb startete Nina Repp im März 2021 motiviert den CAS, als noch Covid-Massnahmen in Kraft waren und die Weiterbildung im hybriden Modus durchgeführt wurde. Sie erinnert sich zurück: «Organisatorisch ist es manchmal einfacher, online teilzunehmen, aber um meine Gedanken weiterzuentwickeln, waren die Denkanstösse und der Austausch mit den Dozierenden und Teilnehmenden in den Pausen sehr wertvoll.» Das Weiterbildungsstudium barg für sie viele kleinere und auch grössere Aha-Momente: «Eines meiner ersten Aha-Erlebnisse war die frustrierende Feststellung, wie lange der Klimawandel bekannt ist, weit vor meiner Geburt, und wie schwierig es dennoch ist, ins Handeln zu kommen. Ein Patentrezept gibt es nicht», stellt die Alumna fest.
Beruflicher und privater Nutzen der Weiterbildung
In der Weiterbildung entdeckte Nina Repp das Konzept der Suffizienz für sich und ging der Frage nach, was Menschen zufrieden macht und wieviel «genug» sein kann. Bei diesem Ansatz geht es darum, Bedürfnisse zu hinterfragen und so den Verbrauch von Ressourcen zu verringern. Sie war angeregt, sich mit ihrer eigenen Arbeit auseinanderzusetzen. «Es geht nicht nur um Geld und Karriere, sondern um Sinnhaftigkeit», fand Nina Repp heraus. Die Weiterbildung gab ihr schliesslich den Mut, nach über 13 Jahren den Arbeitgeber zu wechseln. Derzeit ist sie Leiterin Finanzen, HR und Zentrale Dienste beim Ökozentrum, einer privaten, nicht gewinnorientierten Organisation. «Mein Blickfeld hat sich erweitert. Ich sehe heute andere Aspekte abseits des ökonomischen Mainstreams. Das widerspiegelt sich auch in der Sicherheit meiner Argumentationen für Schritte in Richtung Nachhaltigkeit.»
Raus aus dem Hamsterrad
Auf die Frage, was lebenslanges Lernen für sie bedeutet, entgegnet Nina Repp: «Sich immer wieder selbst hinterfragen und bewusst die Zeit nehmen, aus dem Hamsterrad herauszutreten. Was will ich? Wie kann ich das umsetzen? Man kann aus jeder Situation etwas lernen und für sich mitnehmen.» Ihre Frustration darüber, dass auf übergeordneter Ebene noch immer nicht genug für den Klimawandel geschieht, hat die Macherin in Selbstwirksamkeit gewandelt. «Jeder kann sehr viel bewirken – man muss es nur wollen. Der Weiterbildungsstudiengang Nachhaltige Entwicklung hat mir gezeigt, dass wir schwierige und herausfordernde Situationen aus eigener Kraft bewältigen können, aber noch besser gelingt uns dies im Kollektiv.»
Der nächste Start des CAS Nachhaltige Entwicklung ist im März 2024. Informieren Sie sich jetzt und melden Sie sich bei Fragen gerne direkt bei der Studienleiterin Dr. Marion Leng.
Eine Auswahl weiterer Weiterbildungsstudiengänge im Bereich Nachhaltigkeit, Umwelt und Gesellschaft:
Zur Autorin
Neslihan Steiner ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Kommunikation des Zentrums für universitäre Weiterbildung ZUW.