Das «Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt» ist ein Instrument für den internationalen Naturschutz, das einerseits Regelungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen enthält und andererseits eine Beteiligung an den Ergebnissen, die aus der Nutzung der genetischen Ressourcen entstehen, vorsieht. Damit dient das Nagoya-Protokoll der Umsetzung des dritten Zieles der Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) und trägt zur Erreichung der Erhaltung der Biodiversität und der nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile bei.
Essenz des Nagoya-Protokolls
Es enthält Bestimmungen, die sowohl den Zugang zu genetischen Ressourcen wie auch den gerechten Vorteilsausgleich aus deren Nutzung regeln. Nutzer:innen, die Zugang zu einer genetischen Ressource in einem anderen Land suchen (z.B. zu einer Heilpflanze für die Erforschung der Wirkstoffe oder zur Herstellung eines Medikamentes), sollen sich an die jeweiligen nationalen Zugangsvorschriften im Land halten, welches diese Ressource bereitstellt. Zudem soll ein Vertrag ausgearbeitet werden, der dem Bereitsteller der Ressource eine ausgewogene und gerechte Teilhabe an den Vorteilen (z.B. Gewinne, Technologien, Wissen, etc.) aus deren Nutzung ermöglicht. Mit genetischen Ressourcen ist oft traditionelles Wissen von indigenen und lokalen Gemeinschaften verbunden. Deshalb enthält das Protokoll auch Bestimmungen über den Zugang und den Vorteilsausgleich bei der Nutzung von solchem Wissen.
Genetische Ressourcen
Als genetische Ressourcen gelten nicht nur DNA oder RNA, sondern auch Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen oder Teile davon, die Träger von Erbeinheiten sind. Die Nutzung dieser genetischen Ressourcen ist als Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an deren genetischen oder biochemischen Zusammensetzung definiert.
Genetische Ressourcen sind wichtige Bestandteile der biologischen Vielfalt. Gleichzeitig stellen sie zum Beispiel die Grundlage jeder Pflanzensorte oder Tierrasse in der Landwirtschaft dar und enthalten neue Wirkstoffe für Medikamente und Kosmetikprodukte. Sie werden deshalb in unterschiedlichen Sektoren genutzt, insbesondere in der Forschung, in der Landwirtschaft und Gartenbau sowie in der Pharma-, Kosmetik- und Biotechindustrie. Damit hat die Nutzung genetischer Ressourcen (und der biologischen Vielfalt allgemein) einen beträchtlichen wirtschaftlichen und sozialen Wert.
Compliance-Massnahmen
Das Nagoya-Protokoll sieht eine Reihe von Compliance-Massnahmen vor, die die Vertragsstaaten des Protokolls dazu verpflichten, sicherzustellen, dass in ihrem Land die Nutzer:innen von genetischen Ressourcen die Access and Benefit Sharing (ABS)-Regelungen der Bereitstellerländer einhalten. Der Zugang zu genetischen Ressourcen muss mit vorheriger Zustimmung erfolgen (prior informed consent – PIC) und der Vorteilsausgleich muss vorzeitig einvernehmlich festgelegt werden (mutually agreed terms – MAT).
Das Nagoya-Protokoll in der Forschung
Beim Zugang zu genetischen Ressourcen oder damit verbundenem traditionellem Wissen und deren Nutzung in der Forschung in Staaten, die Vertragsparteien des CBD sind, müssen Forschende die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und regulatorischen Anforderungen der Bereitsteller der Ressourcen oder des Wissens sowie die der Vertragsparteien, in denen die Forschung durchgeführt wird, beachten.
Die Regeln über «Zugang und Vorteilsausgleich» gelten sowohl für die kommerzielle als auch für die nichtkommerzielle Forschung. Forschende, die Grundlagenforschung oder angewandte Forschung an biologischem Material oder traditionellem Wissen zu diesem Material betreiben, müssen die entsprechenden Vorschriften einhalten. Die Schweiz hat das CBD, das Nagoya-Protokoll und den Internationalen Vertrag ratifiziert. Entsprechende Gesetze sind in Kraft und gelten auch für die wissenschaftliche Forschung.
Inhalt in Kürze
- Das Protokoll sieht vor, dass diejenigen, welche genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen bereitstellen, an den sich aus deren Nutzung ergebenden Vorteilen teilhaben sollen.
- Das Protokoll definiert auch, wie der Zugang zu genetischen Ressourcen geregelt werden soll und erleichtert somit Unternehmen und Forschungseinrichtungen den Zugang zu diesen Ressourcen.
- Das Protokoll enthält Bestimmungen, damit diejenigen, welche genetische Ressourcen oder das sich darauf beziehende traditionelle Wissen nutzen, sich an die anwendbaren Access and Benefit Sharing (ABS)-Vorschriften in den Bereitstellerländern halten.
- Das Protokoll soll auch die Rechtssicherheit im Umgang mit genetischen Ressourcen und dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen erhöhen. Dies ist nötig, damit die Unternehmen und die Wissenschaft in Forschung und Entwicklung investieren.
- Die Bestimmungen im Nagoya-Protokoll richten sich an die Vertragsparteien des Protokolls und müssen von diesen auf nationaler Ebene umgesetzt werden.
Anwendungsbereich des Protokolls
Das Nagoya-Protokoll gilt für:
- Grundlagenforschung, akademische oder nicht-kommerzielle Forschung (sowie kommerzielle Forschung);
- nicht-menschliche genetische Ressourcen aus dem Ausland, unabhängig davon, ob sie aus folgenden Quellen stammen:
- dem Ursprungsland der genetischen Ressource;
- ausserhalb ihres Ursprungslandes, z. B. aus einem botanischen Garten innerhalb der Schweiz;
- nicht-wilden Quellen wie Zoos;
- im Labor gezüchtetes Material (in einigen Fällen).
Das Nagoya-Protokoll gilt nicht für:
- humangenetische Ressourcen;
- genetische Ressourcen als Handelsware ohne (spätere) Forschung und Entwicklung;
- genetische Ressourcen, die unter spezielle internationale ABS-Instrumente fallen (z. B. den Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft)
- genetische Ressourcen, die aus Ländern stammen, die keine ABS-Bestimmungen haben, die den Zugang zu genetischen Ressourcen einschränken.
Begriffsdefinitionen
- Eine genetische Ressource im Rahmen des Access and Benefit Sharing (ABS) umfasst mehr als DNA und RNA. Es handelt sich um jegliches Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält und einen tatsächlichen oder potenziellen Wert hat, oder um Derivate einer genetischen Ressource (z. B. Enzyme, Proteine, Metaboliten, Lipide, Flavonoide, ätherische Öle oder Harze aus Pflanzen). Genetische Ressourcen können wild, domestiziert oder kultiviert sein.
- Das Protokoll gilt jedoch nicht für:
- humangenetische Ressourcen,
- genetische Ressourcen, die bereits durch spezialisierte internationale Instrumente geregelt sind (z. B. durch den International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture),
- pandemische Influenzastämme, die unter das Pandemic Influenza Preparedness Framework fallen, genetische Ressourcen, die sich ausserhalb der nationalen Gerichtsbarkeit befinden, z. B. auf hoher See.
- Nutzung bedeutet die Erforschung und Entwicklung der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen oder von Derivaten, auch durch die Anwendung der Biotechnologie.
- Genetische Ressourcen sind oft eng mit dem traditionellen Wissen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften verbunden. Traditionelles Wissen kann aus Innovationen, Praktiken, Know-how oder Fähigkeiten bestehen, die innerhalb einer Gemeinschaft entwickelt, erhalten und von Generation zu Generation weitergegeben werden.
- Die vorherige informierte Zustimmung (Prior Informed Consent, PIC) ist eine einseitige Erklärung der zuständigen Behörde des Lieferlandes und/oder der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften.
- Gegenseitig vereinbarte Bedingungen (Mutually Agreed Terms, MAT) sind ein Vertrag, der zwischen dem/der Nutzer:in und dem/der Bereitsteller:in genetischer Ressourcen ausgehandelt wird. Er wird auch als Vereinbarung über den Vorteilsausgleich bezeichnet. Darin wird festgelegt, wie die Vorteile aus der Nutzung der genetischen Ressource aufgeteilt werden (z. B. Gewinnbeteiligung, Technologien, Know-how oder anderes), sowie Streitbeilegungsklauseln und die spätere Nutzung durch Dritte. In einigen Ländern gibt es Standardklauseln für MATs.
- Ein Materialtransferabkommen (Material Transfer Agreement, MTA) ist eine Vereinbarung zwischen Institutionen, in der die Bedingungen für den Transfer von Proben oder Mustern festgelegt sind. Dies ist nicht zu verwechseln mit MAT - Mutually Agreed Terms (gegenseitig vereinbarte Bedingungen) - obwohl MAT auch in einem MTA enthalten sein können.
Einen Glossar mit den wichtigsten Begriffen des ABS-Systems gibt es hier.
Access and Benefit Sharing (ABS)
Das „Zugang und Vorteilsausgleich“ System (Access and Benefit Sharing, ABS) beschreibt, wie Forschende Zugang zu genetischen Ressourcen erhalten und die Vorteile zwischen denen, die sie nutzen, und denen, die sie bereitstellen, fair und gerecht aufteilen können.
Das ABS-System in Kürze:
- Befolgen Sie die nationalen Gesetze (nationale Access and Benefit Sharing (ABS)-Vorschriften des Bereitstellerlandes und des Landes, in das Sie das zu analysierende Material bringen, z. B. die Schweiz).
- Holen Sie vorherige informierte Zustimmung (→ Begriffsdefinitionen) des Bereitstellenden ein.
- Verhandeln Sie mit dem Bereitstellenden einvernehmliche Bedingungen (→ Begriffsdefinitionen).
- Teilen Sie die Vorteile aus der Nutzung gerecht und ausgewogen auf.
Beachten Sie, dass einige Länder zwar nicht dem Nagoya-Protokoll beigetreten sind, aber dennoch nationale Rechtsvorschriften über den Zugang zu und die Ausfuhr von pflanzlichem, tierischem oder bakteriellem Material haben können, die Sie einhalten müssen.
Wenn keine nationalen Rechtsvorschriften gelten, haben Sie dennoch die ethische Verantwortung, beim Zugang zu genetischen Ressourcen der guten wissenschaftlichen Praxis nach zu handeln. Unter Umständen könnte das dennoch heissen, die Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen gerecht aufzuteilen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung für Forschende
Wenn Sie mit einem dieser Schritte Hilfe brauchen, kontaktieren Sie die Anlaufstelle Gute Wissenschaftliche Praxis.
1. Prüfen Sie, ob das Nagoya-Protokoll auf Ihre Arbeit anzuwenden ist.
- Wer? Forschende, die beabsichtigen, eine nicht-menschliche genetische Ressource zu erhalten, die aus einem anderen Land stammt.
- Was? Prüfen Sie, ob Ihre Forschung in den Anwendungsbereich des Nagoya-Protokolls fällt. Bitte verwenden Sie dazu diese Selbsteinschätzung (folgt demnächst). Wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass das Nagoya-Protokoll nicht auf Ihre Arbeit anwendbar ist, dokumentieren Sie bitte die Begründung für diese Schlussfolgerung und senden Sie sie an die zentrale Nagoya-Datenbank, die von der Anlaufstelle Gute Wissenschaftliche Praxis geführt wird.
- Warum? Sie sind gesetzlich verpflichtet, alle geltenden ABS-Massnahmen einzuhalten.
- Wann? Führen Sie diesen Schritt so früh wie möglich bei der Planung eines Forschungsprojekts durch, z. B. bei der Vorbereitung des Förderantrags.
2. Dokumentieren Sie ihre Entscheidung und bewahren Sie die Begründung auf.
- Wer? Forschende, die beabsichtigen, eine nicht-menschliche genetische Ressource zu erhalten, die aus einem anderen Land stammt.
- Was? Wenn Sie im ersten Schritt Wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass das Nagoya-Protokoll nicht auf Ihre Arbeit anwendbar ist, dokumentieren Sie bitte die Begründung für diese Schlussfolgerung und senden Sie sie an die zentrale Nagoya-Datenbank, die von der Anlaufstelle Gute Wissenschaftliche Praxis geführt wird. Bewahren Sie die Begründung 10 Jahre lang auch in Ihren Unterlagen auf.
- Warum? Als Nachweis für die Beurteilung, dass die genetische Ressource/das traditionelle Wissen nicht in den Anwendungsbereich des Nagoya-Protokolls oder der ABS-Regeln fällt. Die zuständige Schweizer Behörde könnte diese Aufzeichnungen einsehen wollen. Ausserdem: Sollte ein Land, das derzeit nicht dem Nagoya-Protokoll angehört, in Zukunft dem Nagoya-Protokoll beitreten und/oder neue ABS-Massnahmen für den Zugang zu einer genetischen Ressource ergreifen, die Sie zuvor erworben haben, ist es wichtig, die bisherige ABS-Position in Bezug auf Ihren früheren Zugang und Ihre frühere Nutzung zu dokumentieren, insbesondere wenn Sie beabsichtigen, weitere Proben dieser genetischen Ressource aus diesem Land zu erhalten.
- Wann? Sie sollten diese Dokumentation zu dem Zeitpunkt erstellen, an dem Sie zu dem Schluss kommen, dass keine Verpflichtungen aus dem Nagoya-Protokoll bestehen.
3. Halten Sie das nationale Recht ein. Machen Sie sich mit den nationalen Vorschriften und Ansprechpartnern vertraut.
- Wer? Forschende, die beabsichtigen, genetische Ressourcen/traditionelles Wissen zu nutzen, für die ABS-Anforderungen nach dem Nagoya-Protokoll gelten.
- Was? Wenn das Nagoya-Protokoll auf Ihre Arbeit Anwendung findet, müssen Sie das nationale Recht des Herkunftslandes der von Ihnen genutzten genetischen Ressourcen/des traditionellen Wissens beachten. Das Access and Benefit-Sharing Clearing-House (ABSCH) ist eine Online-Plattform zum Austausch aller relevanten ABS-Informationen zwischen Akteuren in verschiedenen Ländern, die Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls sind. Sie finden dort die nationalen Rechtsvorschriften für den Zugang zu genetischen Ressourcen (falls vorhanden) sowie Informationen über die nationale Kontaktstelle, die zuständige nationale Behörde oder andere wichtige Kontrollpunkte. Beachten Sie bitte, dass auf der Website möglicherweise relevante Informationen zu einigen Ländern fehlen. Wenden Sie sich im Zweifelsfall an die nationale Anlaufstelle oder die zuständige Behörde vor Ort, um sich beraten zu lassen.
Bitte beachten Sie, dass einige Länder (unabhängig davon, ob sie Vertragspartei oder Nichtvertragspartei des Nagoya-Protokolls sind) eigene ABS-Rechtsvorschriften haben, die nichts mit dem Nagoya-Protokoll zu tun haben und den Zugang und die Nutzung ihrer genetischen Ressourcen für die Forschung regeln, die ebenfalls befolgt werden sollten. So kann z. B. die digitale Sequenzinformation (DSI) in den Anwendungsbereich der nationalen ABS-Massnahmen eines Landes fallen, auch wenn die Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Nagoya-ABS-Regeln fallen. Sie sind verpflichtet, das ABS-Gesetz des Herkunftlandes der genetischen Ressource zu befolgen. - Wann? So früh wie möglich. Idealerweise bei der Planung eines Forschungsprojekts, z. B. bei der Ausarbeitung des Förderantrags.
4. Stellen Sie einen ABS-Antrag/eine ABS-Anfrage an das Bereitstellerland für den Zugang zu der genetischen Ressource/dem traditionellen Wissen, um die vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung (Prior Informed Consent, PIC) einzuholen und die Zugangsbedingungen auszuhandeln und zu vereinbaren (Mutually Agreed Terms, MAT).
- Wer? Forschende, die beabsichtigen, genetische Ressourcen/traditionelles Wissen zu nutzen, für die ABS-Anforderungen nach dem Nagoya-Protokoll gelten.
- Was? Bemühen Sie sich nach Kräften um eine vorherige, ausdrückliche und informierte Zustimmung. Wenn es die nationalen Vorschriften vorschreiben, sind Sie verpflichtet, vor dem Erwerb eine Prior Informed Consent einzuholen, die vom Bereitstellerland (in dem die genetische Ressource in-situ gefunden wird) und - falls zutreffend - von weiteren Bereitstellern wie einer indigenen Gemeinschaft erteilt wird. Wenden Sie sich zunächst an die nationale Kontaktstelle des Herkunftslandes der genetischen Ressourcen/des traditionellen Wissens, die/das Sie nutzen möchten. Sie dürfen mit der Nutzung der genetischen Ressource/des traditionellen Wissens erst beginnen, wenn Sie die PIC erhalten haben.
Einvernehmlich vereinbarte Bedingungen (MATs) sollten die Art und Weise der Verbreitung von Forschungsergebnissen, die Veröffentlichung oder sonstige gemeinsame Nutzung von Forschungsdaten und eine mögliche Verwertung umfassen. In den MATs werden monetäre und/oder nicht-monetäre Massnahmen zur Aufteilung des Nutzens festgelegt und bestimmt, was mit dem Produkt gemacht werden darf. Vergewissern Sie sich, dass der MAT alle von Ihnen geplanten Massnahmen erlaubt (z. B. Export, Sequenzierung, gemeinsame Nutzung von Daten mit Forschungspartnern, Veröffentlichung) und bestätigen Sie, dass die Daten die gesamte Dauer Ihres Forschungsprojekts abdecken. Wenn Ihr Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen durchgeführt wird, vergewissern Sie sich, dass diese alle im MAT aufgeführt sind.
Denken Sie daran, dass es sich bei den MAT um vertragliche Verpflichtungen handelt und dass die Bedingungen auch für Sie und Ihr Forschungsteam praktikabel oder nützlich sein müssen.
Die Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften bietet eine externe Seite an, die eine hilfreiche Toolbox für Muster-MAT-Klauseln enthält. Unitectra kann Sie bei der Formulierung von MATs unterstützen. - Wann? So früh wie möglich. In einigen Ländern kann der Abschluss der ABS-Verfahren mehrere Monate oder länger dauern.
5. Dokumentieren Sie die Rechtmässigkeit Ihrer Nutzung von genetischen Ressourcen/traditionellem Wissen.
- Wer? Forschende, die beabsichtigen, genetische Ressourcen/traditionelles Wissen zu nutzen, für die ABS-Anforderungen nach dem Nagoya-Protokoll gelten.
- Was? Bitte bewahren Sie den Nachweis über die Rechtmässigkeit des Zugangs und der Verwendung 10 Jahre lang in Ihren Unterlagen auf und senden Sie eine Kopie an die zentrale Nagoya-Datenbank, die bei der Anlaufstelle Gute Wissenschaftliche Praxis geführt wird. Diese Dokumente können von der Aufsichtsbehörde eingesehen werden. Die folgenden Dokumente sollten aufbewahrt werden, wenn Verpflichtungen des Nagoya-Protokolls gelten:
- Datum und Ort, an dem die genetischen Ressourcen und das damit verbundene traditionelle Wissen erworben wurden;
- eine Beschreibung der Proben und etwaiger Identifikatoren;
- die Quelle, aus der die Gegenstände stammen;
- etwaige Bedingungen für den Zugang und den Vorteilsausgleich (z. B. PIC, MAT);
- falls zutreffend: International anerkanntes Konformitätszertifikat (Internationally Recognised Certificate of Compliance, IRCC), das vom Bereitstellerland nach Erhalt von PIC und MAT ausgestellt wird und nachweist, dass der Zugang zur genetischen Ressource legal war und die MATs festgelegt wurden.
- Wann? Beantragen Sie ein IRCC, sobald Sie PIC erhalten und das MAT abgeschlossen haben. Dokumentieren Sie alles sofort.
6. Sammeln Sie die genetische Ressource/das traditionelle Wissen und nutzen Sie sie, bzw. es.
- Wer? Nur Forschende, die eine ausdrückliche Genehmigung des Herkunftslandes haben.
- Was? Sammeln Sie und nutzen Sie die genetische Ressource/das traditionelle Wissen in voller Übereinstimmung mit den Bedingungen der ABS-Zulassung/des ABS-Abkommens. Die Bedingungen des PIC und des MAT sind während der gesamten Forschung einzuhalten.
- Wann? Nachdem Sie alle Unterlagen erhalten haben, die die Rechtmässigkeit Ihres Zugangs zu den genetischen Ressourcen/dem traditionellem Wissen belegen.
7. Übertragen Sie genetische Ressourcen/traditionelles Wissen, die/das unter das ABS-Recht/Nagoya-Protokoll fallen an Dritte/Forschungspartner.
Wenn Sie die genetische Ressource/das traditionelle Wissen weitergeben wollen/müssen, beachten Sie, dass dies nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Bereitstellerlandes und in Übereinstimmung mit den in der PIC und den MAT festgelegten Anforderungen erfolgen darf. Nehmen Sie keine Übertragung vor, wenn sie nicht erlaubt sind.
Vergewissern Sie sich, dass eine entsprechende Forschungsvereinbarung mit dem Kooperationspartner/Dritten besteht, wie z. B. ein Materialtransferabkommen (Material transfer agreement, MTA) oder eine Kooperationsvereinbarung, bevor Sie die Proben weitergeben. Kontaktieren Sie Unitectra, wenn Sie Hilfe brauchen.
Das Bereitstellerland kann:
- sich dafür entscheiden, den/die Mitarbeitende(n)/Dritten, der/die die genetische Ressource von Ihnen erhält, als Vertragspartei in das MAT einzubeziehen;
- oder Ihnen gestatten, die genetische Ressource und/oder traditionelles Wissen an diese/n Mitarbeitende(n)/Dritten gemäss den Regelungen der Universität zu übertragen.
Viele Länder stellen ein International anerkanntes Konformitätszertifikat (Internationally Recognised Certificate of Compliance, IRCC) aus. Wenn dies der Fall ist, enthält dieses Dokument alle relevanten Informationen, die Sie mit Ihrem Partner/Kollaborateur teilen müssen. Gibt es kein IRCC, sollten Sie Ihrem Forschungspartner die folgenden „gleichwertigen Informationen“ übermitteln:
- Datum und Ort des Zugangs zur genetischen Ressource und/oder zu traditionellem Wissen;
- Beschreibung der genetischen Ressource;
- Quelle, aus der die genetische Ressource direkt bezogen wurde (und etwaige nachfolgende Nutzer);
- Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit dem Zugang und dem Vorteilsausgleich;
- einvernehmlich vereinbarte Bedingungen (MAT), falls vorhanden.
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Ausführlichere Erklärungen und Schritte für den Zugang zu genetischem Material in-situ und ex-situ finden Sie in diesem Leitfaden.
Nagoya-Protokoll Erwägungen bei der Planung Ihres Forschungsprojekts
Sie sollten so früh wie möglich bei der Planung Ihres Forschungsprojekts und idealerweise schon vor der Fördermittelvergabe feststellen, ob das Nagoya-Protokoll oder ABS-Verpflichtungen für Ihre Arbeit gelten. Bitte beachten Sie hierfür die Schritt-für-Schritt-Anleitung hier oben.
Wenn es wahrscheinlich ist, dass das Nagoya-Protokoll zur Anwendung kommt, sollten Sie potenzielle Kooperationspartner und/oder Geldgeber darüber informieren, dass
- der Zugang zu den genetischen Ressourcen den Gesetzen des jeweiligen Bereitstellerlandes unterliegen kann;
- dass dem/der Forschenden und etwaigen Kooperationspartnern Bedingungen für den Zugang, die Ausfuhr und die Nutzung auferlegt werden können;
- und dass sich dadurch die Fristen verlängern können.
Bei der Planung Ihrer Forschung kann es hilfreich sein, die Abschnitte 2 und 3 des Leitfadens „Building your ABS Strategy“ zu lesen, der vom deutschen Nagoya Protocol Hub entwickelt wurde.
Tipps:
- Suchen Sie sich nach Möglichkeit eine Partnerorganisation in dem Land, aus dem Sie genetische Ressourcen beziehen möchten, da dies zum Verständnis und zur Einhaltung der ABS-Anforderungen beiträgt. Einige Länder verlangen, dass Sie einen lokalen Partner finden.
- Planen Sie ausreichend Zeit für die Einholung von ABS-Genehmigungen in Ihre Projektpläne ein. Je nach Land kann dies mehrere Monate oder länger dauern. Sie sollten in Betracht ziehen, mit diesem Prozess zu beginnen, bevor die Projektfinanzierung bewilligt ist; der Zeitrahmen Ihres Förderantrags könnte davon betroffen sein.
- Überlegen Sie, wie viel von Ihrem Förderungsbudget für finanzielle Beiträge zum Zugang und Vorteilsausgleich und/oder für die Kosten des Zugangs zu genetischen Ressourcen verwendet werden könnte.
- Überlegen Sie, ob Sie etwaige Bestimmungen über den Zugang und den Vorteilsausgleich akzeptieren würden, die im Rahmen der ABS- und Nagoya-Protokoll-Anforderungen des betreffenden Landes erforderlich sind. So müssen Sie möglicherweise Zugang zu Ihren Ergebnissen gewähren, sie in Veröffentlichungen aufnehmen, Schulungen anbieten usw.
Lage in der Schweiz
Die Schweiz hat das Nagoya-Protokoll am 11. Juli 2014 ratifiziert. Das Protokoll und die damit verbundenen Gesetzesänderungen im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) sind am 12. Oktober 2014 für die Schweiz in Kraft getreten. Der Bundesrat hat am 11. Dezember 2015 die Nagoya-Verordnung verabschiedet. Sie ist am 1. Februar 2016 in Kraft getreten.
Die Nagoya-Verordnung (NagV) dient der Konkretisierung der Bestimmungen über genetische Ressourcen im Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG Art. 23n - q und 24h Abs. 3) sowie der weiteren Umsetzung des Nagoya-Protokolls in der Schweiz:
Abschnitt 1 NagV beschreibt den Gegenstand und die relevanten Begriffe (Art. 1 und 2). Definiert sind unter anderem die Begriffe «genetische Ressourcen» sowie «Nutzung der genetischen Ressourcen».
Abschnitt 2 definiert die Anforderungen an die Nutzung genetischer Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens aus anderen Vertragsparteien des Protokolls:
- Informationen, die im Rahmen der Sorgfaltspflicht aufgezeichnet, aufbewahrt und an nachfolgende Nutzende weitergegeben werden müssen finden sich in Artikel 3.
- Artikel 4 präzisiert die Meldepflicht. Die Einhaltung der Sorgfaltspflicht muss vor der Marktzulassung bzw. vor der Vermarktung von Produkten, deren Entwicklung auf einer genutzten genetischen Ressource basiert, dem BAFU gemeldet werden.
- Laut Artikel 5 kommen die Bestimmungen nach Artikel 3 und 4 sinngemäss auch auf die Nutzung von traditionellem Wissen nach Artikel 23p NHG zur Anwendung.
- Mit Artikel 6 und 7 wird die Möglichkeit geschaffen, bewährte Verfahren und Sammlungen anzuerkennen. Anerkannte Verfahren und Sammlungen werden in einem vom BAFU geführten öffentlichen Verzeichnis publiziert.
Abschnitt 3 regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen im Inland:
- Artikel 8 hält fest, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen im Inland dokumentiert und dass diese Dokumentation vor der Marktzulassung bzw. vor der Vermarktung von Produkten aus diesen genutzten genetischen Ressourcen dem BAFU gemeldet werden muss. Für genetische Ressourcen, bei denen die Informationen bereits im Rahmen anderer Verfahren aufgezeichnet und dem BAFU in globaler Form zur Verfügung gestellt werden, können die Nutzenden von dieser Meldepflicht befreit werden.
- Mit Artikel 9 werden Finanzhilfen für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung von genetischen Ressourcen ermöglicht.
Abschnitt 4 beschreibt die Aufgaben der Behörden:
- Laut Artikel 10 ist das BAFU die zuständige Behörde fürs Nagoya-Protokoll. Es führt unter anderem die Kontaktstelle fürs Nagoya-Protokoll sowie die Meldestelle zur Entgegennahme von Meldungen gemäss der Nagoya-Verordnung. Das BAFU ermutigt die Nutzenden, die Vorteile, die sich aus der Nutzung von genetischen Ressourcen oder von sich darauf beziehendem traditionellem Wissen ergeben, auch bei fehlender Rechtspflicht freiwillig ausgewogen und gerecht zu teilen und für den Erhalt der biologischen Vielfalt einzusetzen.
- Artikel 11 definiert die Aufgaben anderer Behörden im Rahmen von Marktzulassungsverfahren. Diese überprüfen, ob bei Produkten, deren Entwicklung auf genutzten genetischen Ressourcen oder auf sich darauf beziehendes traditionelles Wissen basiert, die Registernummer als Nachweis der Meldung vorliegt oder nicht. Sie verweigern die Zulassung solange der oder die Nutzende den Nachweis nicht erbracht hat.
Abschnitt 5 enthält die Schlussbestimmungen:
- Artikel 12 verweist auf die Änderungen anderer Erlasse, die im Anhang aufgeführt sind.
- In Artikel 13 wird festgehalten, dass die Verordnung am 1. Februar 2016 in Kraft tritt, mit der Ausnahme von Artikel 8, der erst am 1. Januar 2017 in Kraft tritt.
Rechtliche Vorschriften in der Schweiz
Die Schweiz hat das Nagoya-Protokoll im Jahr 2014 ratifiziert. Die Grundlagen für die legale Nutzung von genetischen Ressourcen in der Schweiz sind:
- Die Nagoya-Verordnung (NagO),
- Das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NCHA, Abschnitt 3c befasst sich speziell mit genetischen Ressourcen),
- Art. 49a des Bundesgesetzes über das Patent für Erfindungen (PatA).
Nach schweizerischem Recht haben Forschende, die genetische Ressourcen im Sinne der obigen Definition nutzen, bestimmte rechtliche Verpflichtungen, wenn:
- der Zugriff auf die genetische Ressource nach dem 12. Oktober 2014 erfolgt (ist)
- und die genetische Ressource aus einem Vertragsstaat des Nagoya-Protokolls stammt UND das über eine nationale Access and Benefit Sharing (ABS)-Gesetzgebung verfügt.
Dann müssen Sie eine Sorgfaltspflicht einhalten, d.h. Sie müssen die Informationen, die in Art. 3 der Nagoya-Verordnung beschrieben sind, archivieren und weitergeben. Sobald ein Forschungsprodukt vermarktet wird, sind Sie verpflichtet, dies dem Bundesamt für Umwelt zu melden. Ähnliche Verpflichtungen haben Sie auch beim Zugang zu genetischen Ressourcen in der Schweiz (siehe Art. 8 der Nagoya-Verordnung).
In jedem Fall sind Sie verpflichtet, die nationalen Gesetze des Bereitstellerlandes einzuhalten.
Forscherinnen und Forscher, die genetische Ressourcen nutzen, die von der Europäischen Union gefördert werden, müssen unter Umständen auch die EU-Verordnung über den Zugang und Vorteilsausgleich (EU ABS Regulation) beachten.
Zuständige Behörde und nationale Kontaktstelle für das Nagoya-Protokoll
Bundesamt für Umwelt BAFU
Sektion Biotechnologie
CH-3003 Bern
Schweiz
E-Mail: contact.np@bafu.admin.ch
Sanktionen für Nicht-Beachtung der Regeln
Die Nichteinhaltung von Vorschriften kann schwerwiegende Reputationsschäden verursachen, erhebliche Geldstrafen nach sich ziehen, Ihre Forschung beenden und in einigen Ländern zu Gefängnisstrafen führen.
Die Bussgelder in der Schweiz betragen bei Fahrlässigkeit bis zu CHF 40'000 und bei vorsätzlichem Weglassen oder falschen Angaben CHF 100'000 (NCHA Art. 24a). Zudem kann genetisches Material beschlagnahmt und die Verwertung (d.h. Ihr Forschungsprojekt) eingestellt werden.
Seien Sie sich bewusst, dass Reputationsrisiken und der Vorwurf der Biopiraterie nicht nur Ihnen, sondern auch anderen Forschenden Ihres Fachbereichs und der Universität Bern schaden. Länder können Sie oder künftige Forschende der UniBE auf eine schwarze Liste setzen, indem sie künftige Forschungsbewilligungen sperren oder Einreiseverbote aussprechen.
Wissenschaftliche Zeitschriften verlangen zunehmend den Nachweis der ABS-Konformität. Möglicherweise können Sie Ihre Ergebnisse nicht veröffentlichen. Im Falle der Nichteinhaltung können veröffentlichte Arbeiten zurückgezogen, die Aufnahme in Sammlungen oder Patentansprüche abgelehnt und bereits ausgegebene Forschungsgelder zurückgefordert werden.
Sie könnten wegen Fehlverhaltens in der Forschung zur Rechenschaft gezogen werden.
Weitere Informationen und Quellen
- Access and Benefit Sharing Clearing House (Informationsstelle für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile, verwaltet vom CBD-Sekretariat) stellt Informationen zu nationalen ABS-Massnahmen bereit.
- Auf der Nagoya Protokoll Seite des Bundesamts für Umwelt finden Sie detailliertere Informationen, die für die Schweiz relevant sind, sowie Zugang zu Formularen und einem FAQ-Dokument.
- Die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz bietet einen Überblick über die Anwendung des Nagoya-Protokolls in der Praxis für Forschende in der Schweiz sowie eine Toolbox zur Erstellung von MAT-Klauseln.
- Die Nagoya Protocol „Hilfe und Beratung“ (HuB) konzentriert sich auf die rechtliche Situation in der EU und in Deutschland. Es bietet ausserdem einen hervorragenden Überblick über das ABS-System, Erklärungen, nützliche Checklisten, Erfolgsgeschichten und mehr.
- Das EU Guidance Document bietet ein umfassendes Verständnis des ABS-Systems und wie es auf Ihre Forschung angewendet werden kann.
- Video „Nagoya Protokoll for Newbies” (Leibnitz Institut DSMZ).
- Video „ABS simply explained“.
- ABS Clearing House: Nagoya Protocol – E-learning Courses
- InforMEA: E-learning Kurse:
- Introductory Course to the Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of Benefits
- Introduction to Access and Benefit-Sharing
- Introductory Course ot the Convention on Biological Diversity (CBD)
- Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und das Nagoya-Protokoll.
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In dieser internationalen LinkedIn-Gruppe können Sie sich über relevante Informationen auf dem Laufenden halten und Fragen direkt an andere Forschende stellen.